Umzingelt

Wenn andere von der Ostsee schwärmen, werde ich leise, um ihnen nicht die Freude zu verderben. Ich fremdle mit der Ostsee. Mein Herz gehört eindeutig dem Süden. Seit Kurzem sind die Ostsee und ich uns unerwartet näher gekommen. Das liegt an der Insel Poel. Sie hat mich im Sturm erobert. Lange weiße Sandstrände, blühende Rapsfelder, ein Meer von Schwänen, die grüne Wiesen bevölkern und Fischbrötchen direkt vom Kutter. Immer wieder wandert mein Blick über die wunderschöne Landschaft. Mit meiner Tochter J. und den Enkelkindern Mia und Juli verbringe ich sechs Tage auf Poel und merke, wie sich mein Geist beruhigt. Das liegt nicht nur an der Schönheit der Natur, sondern auch am nicht funktionierenden WLAN in unserer Ferienwohnung. Es gibt ja diesen Spruch „Alles Schlechte hat etwas Gutes“ und so ist es auch in diesem Fall. Mein Geist kann sich allerdings nur dann beruhigen, wenn ich nicht in unserer Ferienwohnung bin. Sie ist in einem Punkt unschlagbar und das ist die Lage: Wir schauen direkt auf den Strand und bestaunen Abend für Abend den spektakulären Sonnenuntergang. Das ist wirklich schön. Die Wohnung selbst empfängt uns nicht sehr freundlich. Es beginnt bereits an der Gartenpforte. Dort hängt ein laminiertes Verbotsschild: „Zutritt nur für Hausgäste und Lieferservice.“ Diese eine Maßregelung wäre zu verkraften gewesen, doch in der Wohnung folgen weitere Belehrungen in Form von laminierten Blättern. Das „Bitte“, das den Belehrungen hinzugefügt wurde, macht es nicht besser: Wir sollen kein schmutziges Geschirr in den Schrank stellen, mit der Einrichtung pfleglich umgehen, nichts zerstören und wenn wir etwas zerstören, dann würden wir zur Kasse gebeten. Zu zahlen hätten wir den Wiederbeschaffungswert. Den Akku-Staubsauger sollen wir nicht sorglos gegen die Wand stellen, sondern ihn vorsichtig aus der Halterung entnehmen und dann auch wieder richtig einsetzen. Falls wir den Schlüssel stecken lassen, müssten wir den Schlüsseldienst bestellen. In diesem Falle wären 100 € zu entrichten. Bei der Ankunft werden wir sogleich auf die korrekte Abreisezeit hingewiesen. Wir haben die Wohnung entgegen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anlage am Abreisetag um 9 Uhr zu verlassen. In der Dusche ist auf einen laminierten Zettel verzichtet worden. Klar, der wäre feucht geworden. Auf eine Handlungsanleitung zu verzichten, scheint keine Option gewesen zu sein. Unsere Vermieterin griff wohl kurzerhand zu einem schwarzen Edding. Wir lesen, dass wir die Tür der Dusche immer weit offen stehen lassen müssen. Pech hat, wer ins Bad läuft, ohne an die offen stehende Tür zu denken. Wir fühlen uns von Anweisungen und Belehrungen umzingelt. Ob unsere Vermieterin wohl schon einmal in einer Ferienwohnung war?

Später föhne ich meine Haare, das heißt ich versuche es.  Als der Föhn sich nach drei Minuten ausschaltet und sich nach zehn Minuten wieder einschaltet, um sich nach zwei Minuten wieder auszuschalten, muss ich den starken Impuls unterdrücken, ein Blatt Papier zu nehmen und aufzuschreiben, wie ein Föhn zu funktionieren hat. Ich gehe in mein Zimmer und will meine Sachen im Schrank verstauen, doch der lässt sich nicht öffnen, weil ein Bett davor steht.

Als sich J. den Finger klemmt, während wir versuchen, eine nicht funktionierende Jalousie zu reparieren, hätten wir gern einen Kommentar mit schwarzer Schrift an der weißen Wand hinterlassen. Den komplett stumpfen Sparschäler möchte ich am liebsten gleich in den Müll schmeißen, aber zum Glück erinnere ich mich rechtzeitig daran, dass ich den Wiederbeschaffungswert zahlen müsste und für diese Ferienwohnung will ich nun wirklich keinen Cent zu viel bezahlen. Als wir am Abreisetag früh am Morgen  verschlafen aufräumen, sind wir ehrlich gesagt etwas nachlässig, was sonst nicht unsere Art ist. Ich denke wieder einmal an die Goldene Regel, die für mich ein Leitsatz ist. Sie besagt, dass man Menschen so behandeln soll, wie man selbst gern behandelt werden möchte. In diesem Moment sträubt sich alles in mir. Die Goldene Regel ist diesmal keine Option.

Fazit unseres Aufenthalts: „Ein zuvorkommender Service macht einen Kunden zu einer wandelnden Werbung.“ (James Cash Penney). In unserem Fall bedeutet es, dass wir diese Appartments auf keinen Fall weiter empfehlen werden. Ich erinnere mich an die Sonnenuntergänge und finde es sehr schade.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Anke sagt:

    Ich mag die Ostsee. Der schönen Bäderarchitektur und der rauhen, wilden Landschaft wegen, und auch wegen der leckeren Fischbrötchen. Vom Räucherfisch schwärmt sogar mein Mann, der Italiener, den ich bisher zweimal im August, einmal auf Rügen und einmal nach Kühlungsborn, gelockt habe. Er sagte nur: Im Sommer muss es hier schön sein. 😆 Das unzuverlässige Wetter hat uns seitdem davon abgehalten, zurückzukehren, denn im Sommer will der Italiener garantierten Sommerurlaub.
    Schade, dass du Pech hattest und dich ärgern musstest über die vielen Anweisungen, hoffentlich konnten es die schönen Sonnenuntergänge mehr als gutmachen.

    Gefällt 1 Person

  2. Karla sagt:

    Ich arbeite in der Hotellerie und bitte dich, die Sache auch mal aus der Sicht des Besitzers zu sehen. Stell dir einfach mal vor, wie es ist, wenn jeder neue Gast sich daneben benimmt. Vielen Gäste ist das Interieur mittlerweile egal. „Ist ja nicht meins…“ scheint das heutige Motto zu sein. Wenn jeder/ jeder zweite nach dieser Art mit den Möbeln umgeht, kann man die Wohnung bald nicht mehr vermieten. Sicherlich, der Sparschäler kostet nicht die Welt, aber der Maler schon, wenn er regelmäßig die Wand beim Staubsauger streichen muss. Und zu Zeiten des Handwerkermangels, macht es keinen Spaß, sich einen zu suchen. Und die Fewo kann dann auch nicht vermietet werden. Leerstand = Verlust.
    In der Appartementanlage in der ich arbeite verschwinden dauernd Sachen ( Stühle, Bettdecken, Bestecke). Dann darf ich auf die Suche gehen und finde diese in anderen Wohnungen. In der Zeit kann ich nicht für die Gäste als Ansprechpartner bereit stehen, Mails bleiben liegen und Telefonate nicht entgegen genommen werden, was ich sehr schade finde.

    Ich vermute stark, dass der Besitzer ein gebranntes Kind ist und es selbst auch nicht schön findet, diese Hinweise anzubringen. Leider scheinen aber viele Gäste das Denken zu verlernen und die gegenseitige Rücksichtnahme ist Ihnen auch egal…

    Like

Hinterlasse einen Kommentar