Starke Worte

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Jetzt schreibe ich schon wieder über Sprache. Ich kann nicht anders, weil ich ständig auf Begriffe stoße, über die ich nachdenken muss. Neulich begegneten mir zwei in einem Zeitungsartikel. Es wurde über einen Mann berichtet, der früher aktiv in der Technoszene war und dessen Lebensstil ihn auf die Dauer sehr angestrengt hat. Nun lebt er nicht nur auf dem Land, sondern auch bewusst. Der Mann sprach über Deep Thinking und Deep Listening, die nun sein Leben bestimmen. Erneut diese englischen Wörter! Allerdings hatte ich sofort eine Vorstellung davon, worum es dem Mann ging. Deep Thinking – sich wirklich auf eine Sache einlassen, tatsächlich darüber nachdenken, sehr lange und  intensiv und nicht nur oberflächlich den einen oder anderen Gedanken schweifen lassen. Und Deep Listening – dem anderen wirklich zuhören, intellektuell und emotional voll da sein, mit Empathie bei der Sache und bereit sein, sich auf sein Gegenüber einzulassen und nicht schon die eigene Antwort im Kopf haben und es kaum abwarten können, dass der oder die andere zu Ende gesprochen hat. Ich kann all das fühlen, wenn ich die Worte Deep Thinking und Deep Listening höre. Das finde ich schön. Andere Begriffe, wie zum Beispiel Facility Manager finde ich dagegen völlig überflüssig. Ich höre meine ehemalige Kollegin A. stöhnen, die sich stets darüber aufgeregt hat, dass das Englische überhand nimmt. Speziell für sie möchte ich anmerken, dass es auch im Englischen viele Begriffe gibt, die aus der deutschen Sprache übernommen wurden. Man denke nur an den Kindergarten, die Bratwurst, das Edelweiß, Hefeweizen, den Katzenjammer und die Wanderlust. Es ist übrigens ein Vergnügen, diese Worte aus dem Mund eines Amerikaners oder einer Amerikanerin zu hören. 

Der von mir sehr geschätzte Duden fand bei einer Untersuchung heraus, dass die Anzahl von nicht deutschen Wörtern nicht nennenswert zugenommen hat. Aber was ist mit den deutschen Wörtern? Da ist wohl ein gewisser Schwund zu beobachten, denn einige, die sehr populär waren, sind aus der Mode gekommen. Das finde ich schade, denn manche Wörter sind eindeutig zu schön, um sie zu vergessen. Es sind aus meiner Sicht  Ausdrücke, die Bilder im Kopf erzeugen: dem Herrn, dem ganz blümerant wird, das Buffet, das eine Augenweide ist. Oder wie hat man sich geärgert, wenn es mit den Musikkassetten wieder einmal Bandsalat gab. Wenn ich ein Lob bekam, fühlte ich mich gebauchpinselt und manchmal habe ich auch die Schwerenöter beneidet.

Neben einzelnen Worten ziehen mich auch ganze Sätze magisch an. Diese Sätze werden zu Gedanken, die mich schlaflos werden lassen, weil sie Fragen des Seins ansprechen: was will ich vom Leben, was ist mir wichtig und wie ich mit E. unlängst besprochen habe: Habe ich überhaupt noch Träume? Und wenn nicht, was hat das zu bedeuten? Da hilft nur Deep Thinking und ein Gegenüber, das weiß, wie wichtig Deep Listening ist. 

3 Kommentare Gib deinen ab

  1. Astrid Horst sagt:

    Liebe R.
    Ich kann es nicht glauben, dass Englisch in der deutschen Sprache nicht überhand genommen haben soll, wie Du schreibst. Kein Mensch z.B. bei der Abendschau sagt mehr Fahrradweg. bike lane und protected, hieß es da. Genauso, wie man das freundliche Wort Nickerchen für einen Kurzschlaf nicht mehr benutzt, sondern power nap sagt. Mein Rechtschreibprogramm hier kennt z.B. Nickerchen nicht, aber Power Nap schreibt es von selbst groß oder klein. Man kann wählen. Deutsch zu sprechen gilt als unmodern und so schwinden immer mehr deutsche Worte für immer. Das ist schade. Liebe Grüße A.

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    1. rossitext sagt:

      Liebe A.,
      danke erst einmal für deinen Kommentar. Ich freue mich immer, wenn Beiträge zu Diskussionen führen. Das passiert leider noch zu selten. Zu deinen Anmerkungen: Ich wollte mit meinem Beitrag durchaus ausdrücken, dass es sehr viele englische Begriffe gibt, die sich in der deutschen Sprache durchgesetzt haben. Das sehe ich so wie du. Dennoch, so schreibt der Duden, nimmt der Anteil der nicht deutschen Wörter insgesamt nicht zu. Es geht dabei nicht nur um englische Wörter. Wenn diese zunehmen und andere nicht deutsche Wörter abnehmen, dann bleibt der Anteil nicht deutscher Wörter gleich. Abgenommen hat wohl die Benutzung von Fremdwörtern aus der französischen Sprache. Das war früher angesagter als heute. Dafür nehmen die englischen Fremdwörter zu. Sprache ist eben stetig in Bewegung.
      Liebe Grüße von rossitext

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  2. Astrid Horst sagt:

    Ach so, dass hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Das ist natürlich richtig.
    Französische Einsprengsel, wie meine Großmutter sie benutzte, gefallen mir persönlich oft besser als einige Amerikanismen. 😊
    Bin gespannt, welches Thema als nächstes dran ist bei rossitext. Herzlich, A.

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