Sommerspezial Berlin / 6: Jetzt lebe ich im Plattenbau

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A. / 69 / ♀️

Da zwei meiner Brüder in Berlin studierten, kam ich ab meinem 17. Lebensjahr oft zu Besuch nach Berlin. Theater, Filme, Feste. Tolle Zeit!

1984 zog ich mit meiner 4-Jährigen Tochter endlich hierher.

In Berlin zu leben, war aufregend. Ich hatte sehr schnell viele Kontakte, mein Kind ebenso. Wir haben uns wohl gefühlt, viel unternommen. Dank guter Hausgemeinschaft gab es häufig Feste im Innenhof, alle mit Kindern.

Ich mochte die Mischung, sich in Berlin einerseits im eigenen Kiez sicher zu fühlen und andererseits das Genießen des Fremden außerhalb von Friedenau, wo ich wohnte. Das große kulturelle Angebot. Die verschiedenen Lebensformen – alles leben zu können, kaum „spießiger Mief“. Meine Eltern haben sich in Berlin im Krieg kennengelernt und geheiratet. Berlin-Gene im Blut?

Nach Beendigung meines Studiums war im Kulturbereich in Berlin keine Stelle zu finden, deshalb musste ich leider zurück nach Westdeutschland.

2001 ein neuer Berlin-Arbeitsversuch. Juchhu: Eine befristete Stelle am Theater und eine schöne Wohnung am Prenzlauer Berg waren im Angebot. Die Freude war groß – und  hielt leider nicht lange. Da der Intendant ging, musste auch ich erneut auf Stellensuche gehen. Und wie zuvor gab es im Kulturbereich in Berlin nichts für mich. Arbeitslosigkeit drohte. Wieder musste ich mich schweren Herzens von Berlin verabschieden. Es fand sich eine Stelle am Theater in Weimar. Der  Abstecher blieb kurz. Die DDR-Stimmung dominierte dort noch zu sehr. Westdeutsche wurden mit Abneigung und Misstrauen überhäuft. Einer Stelle in Nordhessen am Theater tat sich da für mich fast als Rettung auf.

Heute, nachdem ich nicht mehr arbeite, lebe ich wieder in Berlin. Die Stadt hat sich verändert. Der Verkehr, der in den letzten 20 Jahren extrem zugenommen hat, (Scheiß SUVs) macht die Stadt viel anstrengender als vor 30 Jahren.

Das muss sich ändern, ebenso wie die Gentrifizierung, die Wohnungssituation, das Verwaltungschaos, die Mängel im Bildungsbereich u.v.m.

(Abschaffunfg der FDP wäre auch gut)

In Berlin-Weißensee klappte es für mich – dank einer Wohnungsgenossenschaft – mit einer bezahlbaren Wohnung. Jetzt lebe ich im Plattenbau – in komplett anderer Infrastruktur als damals in Westberlin. In „mein“ Berlin muss ich eine Weile mit der Ringbahn fahren.

Mit kleiner Rente muss man sich in Berlin sehr flexibel zeigen. (Es gibt wirklich Leute, die gar nichts erben!)

Aber auch in den unteren Preisklassen ist das Angebot an Kultur zum Glück noch hoch. Viel Grün und viel Wasser erhöhen die Lebensqualität. Der Spruch des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit  „Berlin ist arm, aber trotzdem sexy“ ist für mich noch immer aktuell.

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