Ein bisschen „wie eine Seele in zwei Körpern“

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Ein Blick auf meinen WhatsApp-Chat-Verlauf zeigt mir, dass ich mich bei einigen Menschen, die mir am Herzen liegen, lange nicht gemeldet habe. Ich hatte versprochen, mich nach dem Urlaub zu melden oder nach den Ferien oder wenn wir mit unserem Umbau fertig sind. Und wieder mal habe ich es nicht geschafft. All diese Menschen, mit denen ich viel zu selten Kontakt habe, zähle ich zu meinem weiteren oder engeren Freundeskreis. Mittlerweile habe ich zwar begriffen, dass es nur eine begrenzte Anzahl von engen Freundinnen oder Freunden geben kann – allein schon aus Zeitgründen – aber das umzusetzen fällt mir schwer. Soll ich entscheiden, dass ich A oder B oder vielleicht doch C aus meinem Freundeskreis streiche? Das geht doch nicht und vor allem – das möchte ich nicht.  

Zu diesem Dilemma gesellt sich noch ein weiteres Problem. Manchmal kommen langsam und unbemerkt weitere Freundschaften hinzu. Sie wachsen gemächlich und halten sich bescheiden im Hintergrund. Eines Tages dann weiß ich, dass eine bestimmte Person zu einer Freundin oder zu einem Freund geworden war. Das ist – das Dilemma mal beiseite geschoben – eine wunderbare Entdeckung. In der Mehrzahl – aber eben nicht nur – sind es Frauen, mit denen ich mich sehr eng verbunden fühle. Diese Verbindungen sind für mich etwas ganz Besonderes. Es ist ein bisschen so, dass ich mich in ihnen besonders gut entfalten kann (ich hoffe, umgekehrt ist es genauso), dass sie mich auf eine Art zum Leuchten bringen können und zwar bei jeder freundschaftlichen Beziehung anders, denn Freundschaften sind so vielfältig wie wir Menschen. Freundschaft hat sehr viel mit Vertrauen zu tun. Ist sie echt, kann ich ganz ich selbst sein, muss mich nicht verstellen. Ich kann zugeben, wenn ich etwas nicht kann oder weiß. Ich muss keine Rolle einnehmen. Freundschaft ist für mich wie ein Ort, eine Heimat. Wenn sie gut funktioniert, ist sie manchmal ein Schutzraum für mich, ein Ort, in dem ich Gedanken, Verhaltensweisen, Erlebnisse besprechen kann, die ich sonst für mich behalte oder die mich quälen. Umgekehrt erlebe ich es bei meinen Freundinnen genauso. Freundschaft ist so auch ein Quell für das gemeinsame persönliche Wachsen.

Mit meinen engsten Freundinnen fühle ich mich innerlich verbunden, seelenverwandt. Ein schönes Bild ist auch die Formulierung „Eine Seele in zwei Körpern“. 

Es braucht seine Zeit, bis eine Freundschaft so gefestigt ist, dass sie wie ein Fels in der Brandung des Lebens ist. Am schwierigsten war es für mich zu lernen, engen Freundinnen gegenüber auch Kritik zu üben und – genauso schwierig – Kritik von Freundinnen anzunehmen, den Wert dieser Kritik nicht nur zu verstehen, sondern auch als etwas Konstruktives zu empfinden. Mittlerweile ist solche Kritik für mich ein Zeichen für eine funktionierende, vertrauensvolle Freundschaft. So oft erlebe ich es nicht, dass vor und nicht hinter meinem Rücken Kritik an mir geübt wird – und dann noch konstruktiv und liebevoll. 

So wie Freundschaften wachsen, können sie auch schrumpfen oder ganz verschwinden. Wer hat das nicht schon einmal erlebt? Manchmal entwickeln sich Menschen im Laufe des Lebens auseinander oder es gibt Enttäuschungen und Verletzungen, die die Basis der Freundschaft, das Vertrauen, angeknackst haben. Dann kann es Zeit sein zu gehen.  

Ist das Wesen von Freundschaft zeitlos? Heute gibt es Begriffe wie digitale oder Online-Freundschaft. Sind diese Freundschaften mit den physischen vergleichbar? Können sie vielleicht genauso intensiv sein? Haben sich das Verständnis von Freundschaft und ihre Ausdrucksformen in Zeiten, in denen die sozialen Medien allgegenwärtig sind, vielleicht schon verändert, zumindest bei der jungen Generation? Ich möchte mir nicht anmaßen, das zu beurteilen. 

In diesem Punkt ist es wohl so, wie der arabische Dichter und Philosoph Khalil Gibran in seinem Gedicht „Von den Kindern“ schreibt: „Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.“ 

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  1. Luisleblog sagt:

    Das hast du sehr schön ge- und beschrieben 🥰

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