Plötzlich angesagt

am

Manchmal ist etwas, das lange Zeit verpönt war, plötzlich angesagt. Sofort fallen mir Birkenstock-Sandalen ein. Vor meinem geistigen Auge erscheinen ältere Männer mit weißen Tennissocken in besagten Sandalen. Das galt in den 70er- und 80erJahren auf jeden Fall als sehr unsexy. Die Sandalen galten als Gesundhheits- und Ökö-Latschen – auf keinen Fall waren sie modisch.

Seit ca. 20 Jahren sind Birkenstock-Sandalen schwer angesagt und in allen möglichen Varianten zu finden. Selbst High-Heel-Liebhaberinnen scheuen sich nicht, sich mit dem bequemen Schuhwerk zu zeigen. Auch ich habe mehr als ein Exemplar und zugegebenermaßen auch zwei in silber und metallic-blau.

Ein ähnliches Revival feiert derzeit die Wärmflasche. Ihre Geschichte ist sehr viel älter als die der Birkenstock-Sandale. Die ersten Wärmflaschen – aus Zinn gefertigt und mit heißem Wasser gefüllt – gab es wohl schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert wurde Kupfer wegen der guten Leitfähigkeit verwendet. Für die breite Bevölkerung standen diese Wärmflaschen schon aufgrund der verwendeten wertvollen Materialien nicht zur Verfügung. Die Menschen behalfen sich mit anderen Gegenständen, wie wärmespeichernden Steinen, die im Ofen erhitzt, mit Decken umwickelt und dann ins Bett gelegt wurden. Ungefährlich war das bestimmt nicht, aber gewärmt hat es sicherlich.

Zurück zum Image-Wandel der Wärmflasche, der für mich sehr erfreulich ist, denn ich habe meine inflationäre Nutzung dieses sehr angenehmen Alltagsgegenstandes lange Zeit verschwiegen. Mein gewünschtes Image passte nicht zur Wärmflasche, daher meine Verschwiegenheit. Dabei ist die Wärmflasche eine treue Begleiterin und unterstützt mich in vielen Lebenssituationen. Wenn ich müde bin und mir kalt ist, lege ich die Wärmflasche in mein Bett. Aber nicht nur dann, denn mit der Wärmflasche im Bett ist es immer gemütlich. Egal, wie ich liege oder sitze, passt sie sich mühelos meinem Körper an und tröstet ihn. Grummelt mein Bauch und mir ist schlecht, geht es mir mit der Wärmflasche wenig später schon viel besser. Ist mein Nacken verspannt, lege ich die warme Wärmflasche an diese Stelle. Die Wärmflasche hilft mir sogar, wenn die Seele wackelt. 

Neulich habe ich einen Artikel in der TAZ über die Vorzüge der Wärmflasche in Zeiten des Energiesparens gelesen. Darin wurden weitere Qualitäten  geschildert, die ich noch nicht im Blick hatte. Es wurden gar die Vorzüge der Wärmflasche gegenüber einem Menschen im Bett gelobt. Menschen, so hieß es in dem Artikel, können zwar auch wärmen, haben aber den Nachteil, dass sie nicht unbedingt ins Bett gehen, wenn einem danach ist und sich dann auch noch bewegen oder gar Geräusche machen. Ich kann das bestätigen, besonders das mit den Geräuschen, möchte aber dennoch nicht auf den Menschen neben mir verzichten – jedenfalls meistens.

Ich habe übrigens Wärmflaschen mit unterschiedlichen Überzügen: Schafe, Hasen, Krokodile und ein Exemplar mit Rentier-Design. Seit einem Jahr besitze ich eine von der Lufthansa. Diese wurde mir von einer sehr freundlichen Flugbegleiterin geschenkt, als ich auf einem Transatlantik-Flug von beunruhigendem Herzrasen geplagt wurde und mir die Crew fürsorglich, unter anderem mit einer Wärmflasche, zur Seite stand.

Die meisten meiner Wärmflaschen sind zurückgelassene Besitztümer meiner Kinder. Vielleicht melden sie in Kürze ihre Besitzansprüche an, wenn die Wärmflasche so begehrt sein wird, wie das Klopapier zu Beginn des Lockdowns 2020. Ich bin mir sicher, dass das passieren wird, denn die Wärmflasche erfüllt ihren Zweck ohne viele Kosten und das wird das sein, was wir im nahenden Winter 2022/23 herbeisehnen werden. 

Übrigens soll der Zusatz von Salz helfen, das Wasser in der Wärmflasche länger warm zu halten. Das könnte bei einem längeren Meeting in mäßig beheizten Räumen oder beim coronabedingten Essen im Außenbereich von Vorteil sein. Vielleicht wird die Wärmflasche in diesem Jahr das beliebteste Weihnachtsgeschenk? Wer weiß.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Anke sagt:

    Ich habe auch mindestens eine Wärmflasche, die ich nie benutze. Wir bevorzugen das Kirschkernkissen. Geht schnell in der Mikrowelle zu erwärmen. Ich glaube, ich habe Angst, das (heiße) Wasser könnte auslaufen. 🙈
    Mir fällt noch etwas ein, das zum Thema „Plötzlich angesagt“ passt: das Häkeln und Stricken. War doch auch vor zwanzig Jahren noch angestaubt, und dann, zack, wurde es Mode, bei vielen jungen Mädchen (es heißt, auch bei einigen Männern). Ob man das alles als Besinnung auf Traditionen, nachhaltige Werte, Selbermachen usw. … deuten kann, oder ob es nur der normale Lauf der Dinge ist, dass alles wiederkommt?

    Like

Hinterlasse einen Kommentar