Nicht mit dir und nicht ohne dich

„Nicht mit dir und nicht ohne dich“ – so würde ich mein Verhältnis zum Fitnessstudio beschreiben. Ich weiß nicht, wie viele Verträge ich schon gekündigt habe, um mich nach einiger Zeit wieder anzumelden. Melde ich mich ab, bin ich der festen Überzeugung, dass das Training im Fitnessstudio nichts für mich ist. Melde ich mich wieder an, glaube ich, dass diese Art Sport zu treiben für mich genau die richtige ist. Wir haben so eine Art On-off-Beziehung, würde ich sagen. Im Moment befinde ich mich im Stadium „Ich liebe das Fitnessstudio und es tut mir so gut“. Ich habe mich für den 24-Monats-Vertrag entschieden, obwohl ich mich beim letzten Mal sehr über so einen langen Vertrag geärgert habe. Ich weiß, das hört sich nicht gerade klug an, aber ich habe mich vom Preis bestechen lassen. 

Seitdem ich den Vertrag unterschrieben habe, trainiere ich ziemlich oft. Das wird nicht so bleiben, da bin ich mir sicher, aber für den Moment ist alles wunderbar. Ich gehöre zu den Menschen, die sich gern bewegen, ich würde sogar sagen, die sich bewegen müssen, um keine schlechte Laune zu bekommen. Außerdem muss ich gestehen, dass das Trainieren auch Bestandteil meines ganz persönlichen Kampfes gegen das Älterwerden ist. Und damit meine ich nicht nur optische Gesichtspunkte. Die spielen natürlich auch eine Rolle, aber seit geraumer Zeit merke ich, dass meine Arme schwächeln und das möchte ich nicht hinnehmen. 

Und nun bewege ich mich regelmäßig zwischen all den Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen im Fitnessstudio trainieren, manche in sehr stylischer Sportkleidung, andere in Schlabberhosen. Über meine Kleidung wage ich nicht zu urteilen. Ich treffe durchtrainierte Menschen, Menschen mit schlaffen Körpern und vereinzelt – meist männliche – Poser. An manchen Tagen würden mir allein die Gespräche reichen, die ich mitbekomme. Neulich saß ich einem Mann gegenüber, der sich mit einem anderen unterhielt. „Ich muss jetzt gehen, meine Freundin kommt heute zurück“, sagte der eine. Darauf entgegnete der andere: „Ach so, das heißt wohl, Bier aus dem Kühlschrank raus und Essen rein.“ Ich glaube, er meinte das ernst. Sein Gegenüber schaute unentschlossen. Die beiden unterhielten sich weiter über ihre guten Gene, durch die sie so einen rasanten Muskelaufbau hätten. Andere täten ihnen ein bisschen leid, das müssten sie schon sagen. Ich schaute an meinen noch nicht sehr definierten Armen herab und machte entschlossen ein paar zusätzliche Übungen mit dem Rudergerät. Während ich mich abmühte, sprach mich eine ältere Frau an und riet mir, meine Arme beim Training anders zu positionieren. Dann würden auch die Muskeln trainiert, die trainiert werden sollen, meinte sie und schaute mich triumphierend an. So deutete ich zumindest ihren Blick. Ich wusste nicht, ob ich ihren Rat gut und richtig finden oder ob ich meiner spontanen Abneigung gegen sie freien Lauf lassen sollte. Ich entschied mich für die Akzeptanz beider Gefühle und achtete darauf, dass ich mich beim weiteren Training nicht in ihrer Nähe befand.

Vom Rudergerät aus hatte ich einen guten Blick auf den Kursraum. Dort lief gerade „DanceMoves“, eine Mischung aus Tanz und Aerobic. In der Kursbeschreibung konnte ich lesen, dass der Kurs für alle Level geeignet ist, sich der Schwierigkeitsgrad aber nach der jeweiligen Kursleiterin richtet. Ich glaube, an diesem Tag leitete eine Trainerin den Kurs, die nicht gerade die Anfängerinnen im Blick hatte. Von meinem Platz aus blickte ich auf eine gut gelaunte, energiegeladene junge Frau, die eine Gruppe von ca. zwanzig Frauen unterschiedlichen Alters mit lauten Anweisungen anfeuerte. Die Tanzschritte wechselten in sehr, sehr kurzen Abständen. Mein Blick ruhte auf einer Frau, die verzweifelt versuchte, die Schrittfolge nachzuvollziehen. Es war nicht zu übersehen, dass sie komplett überfordert war. Anders als die Kursleiterin lächelte sie nicht. Sie sah verkniffen und gestresst aus; ihre Bewegungen wirkten hektisch und unharmonisch. Ich fühlte mich augenblicklich mit ihr solidarisch. Das hängt mit einem traumatischen Erlebnis zusammen, das ich in einem ähnlichen Kurs durchleiden musste. Ich muss voranschicken, dass ich grundsätzlich kein Fan des gemeinschaftlichen Hüpfens bin und mich auch nicht für sonderlich talentiert halte. Ich glaube, ich hatte mich damals von E. zu dem Kurs überreden lassen. Aus Gründen des Selbstschutzes platzierte ich mich ganz hinten im Raum. Dort konnte ich nicht so leicht beobachtet werden. Das war schon mal gut. Der Kurs startete und ich gab mein Bestes, was leider nicht im Geringsten den Ansprüchen des Kurses entsprach. In meiner Not orientierte ich mich an der Frau direkt vor mir. Von den Anweisungen der Kursleiterin bekam ich nichts mehr mit. Ich sah nur noch die Schritte der Frau vor mir. Das funktionierte eigentlich ganz gut – bis sie ihren Platz verließ und mehrere Schritte nach vorn, quer durch den Raum machte. Ich folgte ihr reflexartig, um nichts falsch zu machen, bis sie stehen blieb und sich nach einer Flasche Wasser bückte. Jetzt stand ich, für alle sichtbar,  ziemlich verloren hinter ihr und kam mir sehr dämlich vor. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich umzudrehen und zu meinem Platz in der hintersten Reihe zurückzugehen.

Es war der letzte Kurs, an dem ich teilgenommen habe. Seitdem konzentriere ich mich auf das Training an den Geräten oder allein auf einer Matte. Nur manchmal schaue ich sehnsüchtig den Menschen zu, die scheinbar mühelos und gut gelaunt komplizierten Choreographien folgen können. Ich muss zugeben, ich würde es auch gern können. 

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Anke sagt:

    Wir haben auch ein Fitnessstudio, Palestra heißt es bei uns, das wir zu Fuß erreichen. Meine älteste Tochter hat sich jetzt angemeldet. Mal sehen, wie sich das bei ihr entwickelt. Ich hatte nur einmal ein Abonnement vor einigen Jahren. Wie du auch berichtest, waren da die komischen Gespräche einiger, das Schaulaufen oder Abstrampeln und Ächzen anderer, und mit den vermeintlich netten Leuten kam man doch nicht ins Gespräch. Vom (Pilates-)Kurs hatte ich spätestens die Nase voll, als mich eine Mitturnerin strahlend fragte, ob ich schwanger sei. Mit damals 42 hätte das ja noch der Fall sein können, ich zog es nach Ablauf der 12 Monate trotzdem vor, frühmorgens in Schlampersachen joggen zu gehen, statt abends Figur zeigen zu müssen.
    Ich drücke dir die Daumen, dass dein derzeitiger Enthusiasmus anhält. Gesund ist regelmäßiges Training in jedem Fall. LG Anke

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